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Der Enkel, das Grosi und das Auto

Kindersitz im Auto

Eine weitere kleine Geschichte über den schönsten, klügsten, aufgewecktesten Enkel aller Zeiten, also meinen. Seit Anfang Jahr muss ich ihn am Hütetag mit dem Auto holen gehen. Ich fahre nicht gerne Auto, vor allem nicht wenn’s regnet. Wenn’s schneit, fahre ich gar nicht, nur schneits ja nie, ausser diesen Winter immer an Dienstagen, immer an meinem Hütetag!

Am ersten verschneiten Dienstag bin ich schon mal froh, den Weg zu meinem Sohn geschafft zu haben. Meine grosse Sorge ist aber nicht nur der Schnee, sondern auch die Reaktion des Enkels im Auto. Was wenn er schreit oder weint, oder raus will? Ich trage ihn zum Auto. Da ich aber bereits erwartet hatte, mit dem neu erworbenen Autositzli nicht klarzukommen, komme ich auch nicht klar damit. Die Gurten sind zu eng, ich ziehe und zerre, der Enkel sitzt gottergeben da und fragt sich wohl, was das Grosi da macht und was für komische, absolut nicht Grosi-taugliche Ausdrücke zusammen mit den Schneeflocken ins Auto wehen.

Mein Sohn ist noch zu Hause und kommt mir zu Hilfe. Mit einem Handgriff stellt er die Gurten neu ein. Jetzt also los. Mein Auto ist gut isoliert, so gut, dass die Frontscheibe innert kürzester Zeit anläuft, wenn’s innen nass ist, und das ists jetzt vom Reinschneien. Die Scheibe ist aber vom Steuerrad aus unerreichbar, anhalten kann ich im Moment nicht, also fahre ich weiter mit eingeschränkter Sicht, Lüftung auf Stufe 5. Hinter mir plötzlich ein Polizeiauto. Wie peinlich, wenn die mich jetzt stoppen und büssen! Aber sie sind plötzlich wieder weg, haben wohl andere Probleme. Weiter also, immer noch leicht vernebelt, Überland, im Schneegestöber, hochkonzentriert, schwitzend. Warum tue ich das nur? Ach ja, stimmt, wegen dem Enkel, den hatte ich ganz vergessen, so ruhig sitzt er hinten im Auto.

Am Abend fahre ich früh los, um nicht in den Feierabend-Verkehr zu geraten. Es schneit immer noch. Nach zehn Minuten Fahrt plötzlich aus dem Nichts dieses Bild vor meinem inneren Auge: Der «Schlafbär», ohne den rein gar nichts geht, auf dem Bett zu Hause bei mir! Ich weiss sofort, instinktiv, den hab ich nicht eingepackt! Also zurück nach Hause, bei stetig dichterem Verkehr und Schneegestöber.

Zu Hause lasse ich den Enkel im Auto, zu viel Aufwand, ihn wieder auszupacken und hochzutragen. Er wird schreien, er schreit immer, wenn ich weggehe ohne ihn, aber da muss er durch. Ich renne nach oben, pflüge mit nassen Schuhen durch die Wohnung, packe den Bären, laufe wieder runter, reisse die Wagentüre auf, will beruhigen - er sitzt da und strahlt mich an! Nach fünf Minuten Fahrt fängt er an zu brummeln. «Tut mir leid», sage ich, «ist wirklich blöd, find ich auch, aber ich kanns nicht ändern.» Eine Minute später schläft er. Und er schreit auch nicht, als ich ihn auf dem Parkplatz vor seinem Haus wecken muss, er ist die Ruhe selbst.

Ich habs ja gesagt, er ist der schönste, klügste, aufgeweckteste Enkel aller Zeiten und hat sich scheinbar mittlerweile an sein etwas chaotisches Grosi gewöhnt. Unsere Autofahrten sind inzwischen ziemlich unterhaltsam geworden. Er kommentiert alle Kräne, Busse Traktoren und Lastwagen, ich versuche, ihn auf die Schönheit der Natur aufmerksam zu machen. So langsam setzt die Enkel/Grosi Beziehung ein, wie ich sie mir anfänglich vorgestellt hatte und ich freue mich auf alles, was wir noch gemeinsam erleben werden!

25.Mai
2021

Von Gabi Bucher