Schrift: +100%-

Yoga zum ersten - Kolumne von Gabi Bucher

Gerollte Yoga Matte mit 3 Paar Stoppersocken

Leider bin ich nicht wirklich sportlich, wandere zwar gerne, aber damit hat es sich. Etwas Zusatzbewegung zur Physiotherapie wäre nicht schlecht, meinte die Physiotherapeutin, die im Moment grad meinen Nacken, meinen Rücken und meine Schulter behandelt, nachdem sie vor ein paar Monaten die Knie behandelt hat. Meine Knochen und Muskeln werden langsam zu alten, tattrigen Dingern, die ein Stück weit ihr Eigenleben oder doch eher Eigensterben zelebrieren. Es ist nichts mehr wirklich so, wie es einmal war.

Da ich nichts mag, was schon nur nach Anstrengung tönt, habe ich mich fürs Yoga aus dem Pro Senectute Kursprogramm entschieden – neu in Sursee, heisst es da. Balance, Kraft und Beweglichkeit sollen es bringen, das ist wichtig im Alter, körperliche Selbstständigkeit, kann wohl nicht schaden auf die Dauer und erholsame, ruhende Entspannung am Ende der Stunde, warum nicht, auch wenn «ruhende Entspannung» nicht ganz meinem Naturell entspricht. Mitnehmen solle man angenehme Kleidung, heisst es in der Kursbestätigung, rutschfeste Socken und ein Tuch. Meine Schlabberhose mit durchgewetzten Knien scheint mir zu familiär, also hole ich mir eine dieser enganliegenden Sport-Hosen, «doch, ja, gut für Yoga», sagt die Verkäuferin, «Hauptsache, Sie fühlen sich wohl.» Wohlfühlen? Das ist viel verlangt von etwas, das alle Ecken und Kanten abzeichnet, auch das, was nicht mehr unbedingt als weibliche Rundung durchgeht. Rutschfeste Socken gibt’s im Moment nirgends in Sursee, also bestelle ich online, schreckliche Farben, aber fürs Yoga reicht es wohl. Und eine Matte? Davon steht nichts, also mitnehmen und die Einzige sein, die eine dabei hat oder nicht mitnehmen und die Einzige, die keine hat? Ich bin letzteres, denn aus irgendeinem Grund kennen sich fast alle anderen bereits und wissen, wie’s läuft. «Neu in Sursee» bin nur ich.

Die Kursleiterin kommt auf mich zu und streckt mir die Hand entgegen. «Gabi», sage ich, «Gabriela», sagt sie, «Gabi reicht», sage ich, «Gabriela», wiederholt sie. Ist es vielleicht jetzt das, was mir eine meiner Bekannten kürzlich erklärt hat: Wenn man nicht mit seinem ganzen Namen angesprochen wird, fehlt einen was im Leben? Vielleicht hat das was mit Yoga zu tun? Später stellt sich heraus, dass die Kursleiterin Gabriela heisst. Peinlicher Einstieg, hätte ich wissen müssen, es stand auf dem Programm! Aber es geht noch peinlicher, denn eine meiner rutschfesten Socken ist zu Hause geblieben. In meiner Tasche wäre noch ein Handschuh, aber das lasse ich lieber. Ich betrete den Raum mit einer schwarzen Socke und einem dieser fleischfarbenen «Füsschen», die man in Sommerschuhen trägt - sorry, sage ich, von Wohlfühlen keine Rede.

Die anderen sind alle barfuss.

«Wir achten auf unseren Atem», sagt die Kursleiterin zur ersten Übung. Ich achte eine Weile darauf, finde dann aber, er habe genügend Beachtung erhalten, höre den Baumaschinen draussen und frage mich, ob die wohl bald Kaffeepause haben. Kaffee – wäre nicht schlecht, so eine Tasse, vielleicht ein Gipfeli dazu, zur Belohnung…! «Wir achten auf unseren Atem!» mahnt Gabriela. Ich fühle mich ertappt. Einfach fliessen lassen, kann doch nicht so schwer sein! Aber schon stört das nächste Bild: die unsägliche TV-Werbung über Inkontinenz-Binden! «Wir achten auf unseren Atem» sagt Gabriela nochmal. Scheint es mir nur so oder tönt es noch bestimmter dieses Mal?

So mogle ich mich mehr oder weniger erfolgreich durch diese erste Stunde, suche am Ende des Kurses noch die richtige Tonlage für das «OM», was wohl jeder hört und hoffe, dass wir im Lauf der Zeit zueinander finden, dieses Yoga und ich!

31.10.2022

Von Gabi Bucher