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Alter und Migration

Saal gefüllt mit Leuten

Der Anteil an Senior*innen mit Migrationshintergrund nimmt zu, auch in unserer Region. Es sind Menschen, die in vielen Fällen vor Jahren in die Schweiz kamen, ein Leben lang hier gearbeitet haben und jetzt eine Rente beziehen und den Ruhestand geniessen.

Wie geht es ihnen? Was sind ihre spezifischen Bedürfnisse? Finden sie Zugang zu den vielfältigen Beratungs- und Dienstleistungsangeboten? Das Regionale Altersleitbild Sursee hat eine Bedarfserhebung bei Caritas Luzern in Auftrag gegeben, um genau dieses Thema zu beleuchten. Mit einer mündlichen Befragung von Schlüsselpersonen und einer Online-Umfrage bei Behörden und Fachstellen wurde abgeklärt, ob und wie Senior*innen mit Migrationshintergrund die Angebote nutzen und wo es Handlungsbedarf gibt.

Die Probleme der Migrant*innen umfassen die Sprache, finanzielle Probleme, die Bildung und die Gesundheit. Oft reichen die Deutschkenntnisse nicht für eine Verständigung. Viele verstehen die erhaltenen Informationen nicht oder trauen sich aus sprachlichen Gründen nicht, Informationen einzuholen. Verbreitet sind kleine Renten sowie kaum Erspartes. Über finanzielle Probleme wird aber ungern gesprochen, es ist ein Tabu. Die älteren Migrant*innen sind zum Teil wenig gebildet, stammen aus ärmlichen und/oder ländlichen Verhältnissen. Viele sind körperlich oder psychisch belastet, nach einer Erwerbstätigkeit mit körperlich anstrengender Arbeit und niedrigem Einkommen. Verbreitet sind auch Hemmungen oder Misstrauen gegenüber den Institutionen und Behörden. Bürokratische Hürden oder Erfahrungen mit abweisenden Haltungen schrecken oft ab. Unter der portugiesischen Migrationsbevölkerung ist eine Rückkehr ins Heimatland sehr verbreitet während bei den anderen Sprachgruppen nur ein Teil ins Herkunftsland zurückreist. Bei den meisten Senior*innen mit Migrationshintergrund sind es die Familienangehörigen, die sich um die Betagten kümmern. Im Bericht wird aber auch festgehalten, dass eine Tendenz spürbar ist, dass sich gerade dieser Familienzusammenhalt in den letzten Jahren reduziert hat. Auch für Familien mit Migrationshintergrund wird es zunehmend vorstellbar, dass die Eltern in einem Pflegeheim statt zu Hause gepflegt werden.

Auf der Seite der Institutionen hat die Umfrage ergeben, dass die Angebote nur von wenigen genutzt werden. Die häufigsten Beratungsgespräche werden von Zenso (ehemals SoBZ), Hausärzt*innen, Gewerkschaften und Pfarreien geleistet. Auch die Spitex ist bekannt und wird genutzt. In Heimen oder Freizeitgruppen ist der Anteil an Migrant*innen klein.

Der Bericht kommt zum Schluss, dass es nicht genügt, wenn Institutionen einfach «offen für alle» sind, ohne ihr Angebot auf die Bedürfnisse der älteren Migrationsbevölkerung anzupassen. Die fehlenden Sprachkenntnisse können im Alter nicht mehr aufgeholt werden, diese Tatsache gilt es zu akzeptieren. Wer mit 65 noch wenig Deutsch spricht, kann die Sprache nicht mehr soweit verbessern, dass er oder sie ein Beratungsgespräch zum Thema Versicherungen oder Rentenanspruch verstehen kann. Es gilt also, auf interkulturelle Dolmetschende oder Vermittelnde zu setzen.

Das Regionale Altersleitbild Sursee will sich in den kommenden Jahren dem Thema annehmen. An einem ersten «Runden Tisch Alter und Migration» Ende Oktober, wurde der Bericht analysiert und Schwerpunkte gesetzt. Ziel ist es, die «transkulturellen Kompetenzen» von Institutionen zu stärken. Wie können Institutionen besser auf die Bedürfnisse der älteren, fremdsprachigen Bevölkerung eingehen? Was braucht es, dass die Institutionen nicht nur «offen für alle» sind, sondern auch von allen genutzt werden? Am zweiten Runden Tisch im Frühjahr 2021 sollen Fachstellen zu Wort kommen und erfolgreiche Praxisbeispiele aus der Region vorgestellt werden.

Wer sich für den gesamten Bericht «Bedarfserhebung Alter und Migration» interessiert, darf ihn gerne bei mir bestellen (fanny.nuessli@bluewin.ch).

12.Dezember
2020

Von Fanny Nüssli