Alkohol im Alter: Wie viel ist zu viel?
Wie viel ist noch gesund? Was ist riskant? Wie gehen Fachpersonen in Pflege und Betreuung mit Suchtproblemen um? Antworten auf solche Fragen zu finden, ist gar nicht so einfach. Überlegungen aus dem 1. Suchtforum für Fachpersonen im Kanton Luzern helfen, ein klareres Bild zu gewinnen.
Zum Nachdenken anregen
Auf
die Frage «Wie viel ist zu viel?» gebe es keine allgemeingültige
Antwort, wie das Bundesamt für Gesundheit festhält: «Je nach Alter,
Geschlecht, Trinkgewohnheit und Situation kann eine andere Menge zu viel
sein.» Deshalb seien auch die Risiken, die mit dem Alkoholkonsum
eingegangen werden, je nach Person unterschiedlich. Risikoreich werde
der Alkoholkonsum, wenn durch das Trinken «die eigene Gesundheit oder
diejenige anderer Personen gefährdet wird und entsprechende Schäden in
Kauf genommen oder verursacht werden.»
Am 1. Suchtforum für Fachpersonen, welches im November 2019 stattfand,
wurde deutlich, dass der Tabak-, Alkohol- und Medikamentenkonsum im
Alter durch die bisherige Lebensgeschichte und die aktuelle Gesundheit
der Person beeinflusst ist. Einen Einfluss haben auch die
physiologischen Altersveränderungen, welche z.B. den Abbau von Alkohol,
Medikamenten und Co. beeinflussen, weshalb diese stärker oder schwächer
als gewöhnlich wirken können. Suchtprobleme im Alter können durch eine
fehlende Tagesstruktur nach der Pensionierung, als Reaktion auf
altersbedingte Beschwerden oder aufgrund sozialer Isolation begünstigt
werden. Hilfsansätze sollten deshalb biografische und altersspezifische
Einflussfaktoren auf die Lebenssituation älterer Menschen stärker
berücksichtigen.
Erkennen und Handeln in Institutionen
Wie
reagieren Profis, wenn Suchtprobleme in ihrer Institution auftreten?
Auch darauf gab es Antworten aus dem Forum: Die individuelle Situation
der Betroffenen wird mit der steigenden Lebenserwartung komplexer und
die Arbeit der Fachpersonen in Institutionen wie z.B. Altersheimen,
Spitex-Betrieben und in der hausärztlichen Praxis anspruchsvoller.
Deshalb soll bei möglichen Suchtproblemen auch möglichst früh gehandelt
werden. Dies verbessert die Lebensqualität der Betroffenen, kann die
Pflegebedürftigkeit verringern und die Pflegenden/Betreuenden entlasten.
Deshalb müssen Mitarbeitende entsprechend geschult werden, da sie oft
wichtige Bezugspersonen für ältere, betreute Menschen sind. Es gibt gute
Konzepte und Leitfäden, die in der Praxis jedoch noch zu wenig
verbreitet und verankert sind.
Erste Anlaufstelle: Hausarztpraxis
Sich
ein Alkoholproblem einzugestehen, ist bei vielen Betroffenen mit Scham
oder Unsicherheit verbunden. Auch das wurde am Suchtforum deutlich. Mit
der Hausärztin oder dem Hausarzt besprechen Betroffene oft ihre
somatischen Beschwerden, wie z.B. Schlafstörungen. Laborwerte deuten
möglicherweise auf ein Alkoholproblem hin. Es erfordert viel
Fingerspitzengefühl und soziale Kompetenz der Ärztin oder des Arztes, um
Patientinnen und Patienten zu motivieren, über Alkoholprobleme zu reden
und ggf. weiterführende Hilfen anzunehmen. Das Forum Suchtmedizin
Innerschweiz bietet für diese Berufsgruppe einen Handlungsleitfaden und
eine Helpline an: www.fosumis.ch/index.php/helpline
Zukünftige Herausforderungen
Ältere
Menschen verfügen zunehmend über eine höhere technische Affinität im
Umgang mit digitalen Medien. Dies ermöglicht andere Zugänge zu denen,
die vom bisherigen Beratungsangebot vor Ort noch nicht profitieren. Hier
muss geprüft werden, welche Tools und Apps zur therapeutischen
Unterstützung sinnvoll einzusetzen sind. Eine besondere Aufgabe wird die
angemessene Betreuung der langjährigen Drogenabhängigen sein, die
aufgrund der verbesserten Hilfen ein höheres Lebensalter erreichen.
Möchte man diese Zielgruppen z.B. in einem Alters- und Pflegeheim
betreuen, braucht es hier besondere Konzepte, insbesondere, wenn die
Person noch Drogen einnimmt oder z.B. mit Methadon substituiert wird.
Methadon kann im Rahmen eines Drogenentzugs als Ersatzstoff eingesetzt
werden. Die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung und die Weiterbildung
der Mitarbeitenden sind dabei das Fundament.
Weitere Informationen finden Sie unter www.alcohol-facts.ch und www.alterundsucht.ch
Dr. phil. Christina Meyer, Akzent Prävention und Suchttherapie
15.März
2020
Von Christina Meyer, Akzent Prävention und Suchttherapie