Erst die Pension – dann die Sucht?
Alkoholtrinken bedeutet für viele ältere Menschen, sich etwas zu gönnen oder in Geselligkeit zu geniessen. Auch die Alkoholindustrie hat ältere Menschen als zahlungskräftige Zielgruppe erkannt und umwirbt die sogenannten «best agers». Nicht immer bleibt es beim Genuss.
Der Ausstieg aus dem Berufsleben kann, in Verbindung mit der persönlichen Neuorientierung, auch zu Alkohol- oder Medikamentenproblemen führen.
Veränderungen im Alter
Rund
ein Drittel der Schweizer Bevölkerung über 60 Jahre trinkt täglich
Alkohol. Mit zunehmendem Alter steigt die Einnahme und Anzahl der
Medikamente. Viele ältere Menschen sind sich nicht bewusst, dass das
Älterwerden mit seinen körperlichen und geistigen Veränderungen auch ein
Überdenken der bisherigen und teilweise lebenslangen Konsumgewohnheiten
nötig macht. So werden z.B. alkoholische Getränke im Alter schlechter
vertragen, vom Körper abgebaut oder die Wirkung verstärkt sich, wenn
gleichzeitig bestimmte Medikamente eingenommen werden.
Die Umstellung auf eine neue Alltagssituation nach der Pensionierung und auch der Funktions- und Aktivitätsverlust können belastend sein. Andere kritische Lebensereignisse, wie z.B. der Verlust des Partners, finanzielle Engpässe oder die Aufgabe der Wohnung aufgrund von Pflegebedürftigkeit, gehören zu den Risikofaktoren für eine Suchtentwicklung oder Abhängigkeit im Alter. Um negative Gefühle auszublenden oder körperliche Symptome zu lindern, wird mehr getrunken und es werden stimmungsaufhellende oder beruhigende Medikamente eingenommen. Aufgrund ihres Suchtpotenzials sind Schlaf- und Beruhigungsmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine und opiathaltige Schmerzmittel besonders gefährlich. Eine Abhängigkeit kann sich bereits nach wenigen Wochen einstellen.
Was ist eine Sucht?
In
der Fachsprache spricht man von einer «Abhängigkeit» von Alkohol oder
anderen Substanzen. Es ist eine Krankheit nicht Willensschwäche, die vom
Arzt oder Psychologen diagnostiziert wird. Die verschiedenen Kriterien
sind der starke Drang nach Alkohol, körperliche Entzugssymptome, die
Erhöhung der Trinkmenge oder Dosis, um die gleiche Wirkung zu erzielen.
Zudem die Vernachlässigung von anderen Interessen oder die verminderte
Kontrolle über die Menge und das nicht beenden Können des Konsums.
Mindestens drei oder mehr dieser Kriterien müssen während eines Jahres
zutreffen. Hinzu kommen weitere Erfassungsinstrumente, die auf eine
Abhängigkeit hindeuten.
Was deutet auf Alkohol- oder Medikamentenprobleme hin?
Alkoholprobleme
können auffallen z.B. durch ein Flaschendepot, eine «Fahne» oder
Sprach- und Gangprobleme. Andere Symptome, die sowohl auf Alkohol- als
auch Medikamentenprobleme hinweisen, sind weniger auffällig, wie ein
verminderter Antrieb der Person, das Nachlassen der Gedächtnisleistung,
Müdigkeit und Rückzug aus dem sozialen Umfeld. Weitere Anzeichen
beziehen sich auch auf verhaltensbezogene Veränderungen z.B. Angst,
Stimmungsschwankungen. Problematisch ist, dass die genannten Symptome
häufig als Alterserscheinungen abgetan und nicht der Abhängigkeit
zugeschrieben werden.
Was tun bei Verdacht?
Als
nahestehende Person sollte man sich getrauen, die beobachteten
Auffälligkeiten anzusprechen. Die persönliche Einstellung spielt in
diesen Gesprächen eine zentrale Rolle. Wichtig ist, dem Betroffenen mit
Respekt zu begegnen und seine Sorge offen auszudrücken. Auch wenn die
Person abwehrend reagiert, sollte man sich nicht entmutigen lassen. Sie
werden trotzdem gehört. Hilfsangebote können aufgezeigt werden, wie z.B.
der Kontakt mit dem Hausarzt, den Sozialberatungszentren, der Seelsorge
oder auch zu Selbsthilfegruppen.
Wie kann man einer Abhängigkeit vorbeugen?
Suchtprävention
in der Gemeinde geschieht durch aktive Beziehungen, durch Erlebnisse
und Begegnungen auch mit zurückgezogen lebenden Menschen. Ehrenamtliches
Engagement als sinnstiftende Tätigkeit ist ein wichtiger Schutzfaktor
gegen Suchtprobleme und verhilft zur persönlichen Anerkennung und
Zufriedenheit. Die Pro Senectute, verschiedene Vereine oder die Kirchen
in den Gemeinden sind wichtige Partner.
Informationsveranstaltungen in den Gemeinden können dazu beitragen,
Tabus aufzubrechen und sich zu informieren. Dort geht nicht darum, mit
erhobenem Zeigefinger zu massregeln, sondern wichtige Fragen im Umgang
mit Alkohol und Co. zu beantworten, damit Zuhörerinnen und Zuhörer den
eigenen Alkohol- und Medikamentenkonsum gegebenenfalls überdenken.
Akzent Prävention und Suchttherapie hat einen Flyer zum sicheren Umgang mit Medikamenten entwickelt, den Sie kostenlos unter www.akzent-luzern.ch/bestelltool/leporello bestellen können.
10.September
2019
Von Christina Meyer, Akzent Prävention und Suchttherapie